Im März geriet ein Hund auf die Autobahn im Grauholz. Die Polizei tötete ihn. Nun stand die Halterin vor dem Regionalgericht – und wurde freigesprochen.
Der Fall sorgte für Aufsehen: Am 21. März tötete die Kantonspolizei Bern auf der Autobahn A1 im Grauholz eine Hündin mit einem Fangschuss. Das Tier habe den Verkehr gestört und für Gefahr gesorgt, schrieb die Polizei. Wie sich herausstellte, war die Hündin von zu Hause davongelaufen und irgendwie auf die Fahrbahn geraten. Sie hiess Zara.
Zwei Monate später wurde eine etwa 55-jährige Frau aus der Region Bern wegen Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz bestraft. Sie hatte an jenem Tag die beiden Hunde ihrer Schwester beaufsichtigt, darunter Zara. Die bernische Staatsanwaltschaft urteilte, dass sie nicht die nötigen Vorkehrungen getroffen habe, damit die Hündin Menschen und Tiere nicht gefährde. Zur Busse von 400 Franken kamen Gebühren von 200 Franken.
Doch die Frau erhob Einsprache gegen den Strafbefehl. «Ich habe nichts falsch gemacht», sagte sie am Dienstag vor Gericht. Stattdessen kritisierte sie den Polizeieinsatz (siehe Kasten links). «Es ist schrecklich, dass Zara erschossen wurde. Das wäre nicht nötig gewesen.»
Durch die Tür entwischt
Gestern wurde die Frau vom Regionalgericht Bern-Mittelland freigesprochen. «Ich bin sehr erleichtert», sagte sie nach dem Prozess. Ihre Schwester war auch anwesend und ebenso froh. Zara, eine Strassenmischung, schwarz und klein, sei «nie aggressiv» gewesen.
An jenem Nachmittag im März ging die Angeschuldigte mit den beiden Hunden ihrer Schwester spazieren. Bei der Heimkehr öffnete sie die Haustür zu ihrem Wohnblock und stieg mit den Hunden an der Leine die Treppe hoch in den ersten Stock.
Vor ihrer Wohnungstür nahm sie den Tieren die Leine ab. «Da hörte ich gerade den Summton der Haustür», erzählte sie gestern. Zara lief plötzlich davon und nach unten, wo eine Besucherin gerade die Tür von aussen aufstiess. Das Tier entwischte. Ihre Suche im Quartier und im Wald verlief erfolglos. Abends rief die Frau die Polizei an – und erfuhr vom Tod der Hündin.
Unvorhersehbare Folgen
«Ich habe Zara gut gekannt, sie hat auf mich gehört», sagte die Frau gestern. Nie habe die Hündin gebissen, geschnappt oder auch nur jemanden ohne Grund angeknurrt. Einmal sei die Hündin davongelaufen, aber dann wieder zurückgekehrt.
«Jeder Hundehalter hat eine Sorgfaltspflicht», sagte Gerichtspräsidentin Bettina Bochsler. Aber sie kam zum Schluss, dass die Angeschuldigte ihre Pflicht nicht verletzt hat. Zwar hätte sie die späteren Ereignisse vermeiden können – indem sie den Hund erst in der eigenen Wohnung abgeleint hätte.
Aber sie habe die Folgen nicht vorhersehen können – dass die Hündin davonlaufe, im falschen Moment die Tür geöffnet werde, die Hündin auf die Autobahn gerate. Damit begründete sie auch den Freispruch. Doch wegen der Kritik an der Polizei sprach die Richterin der Frau ins Gewissen. «Wir wissen nicht, was auf der Autobahn passiert ist.»
Polizei erschoss Hund auf A1 – Gericht spricht Halterin frei