Petition: Härtere Strafen für Tierquäler

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Petition: Härtere Strafen für Tierquäler

Beitragvon chino » 01.07.2013, 13:15

Hallo,

Petitionen sind Bestandteil des demokratischen Grundrechtes und als solche ja prinzipell nicht verkehrt.
Dass die diversen Petenten nicht immer so recht zu wissen scheinen, an wen sie sich mit ihrem Anliegen wenden sollten, ist ihrer im Grunde oft guten Idee allerdings wenig dienlich.

Bundestag: Harte Strafen für Tierquäler/Tiermörder

Was sagt unser "Hausjurist" zu o.g. Fall?

LG
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Re: Petition: Härtere Strafen für Tierquäler

Beitragvon Dieter » 01.07.2013, 13:47

Für eine hinreichend ausführliche Antwort ist ein kleiner Exkurs in das Strafrecht erforderlich.
Dazu schreibe ich heute Abend etwas.
Viele Grüße
Dieter

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Re: Petition: Härtere Strafen für Tierquäler

Beitragvon Dieter » 01.07.2013, 23:55

chino hat geschrieben:Dass die diversen Petenten nicht immer so recht zu wissen scheinen, an wen sie sich mit ihrem Anliegen wenden sollten, ist ihrer im Grunde oft guten Idee allerdings wenig dienlich.


So ist es. Außerdem ist die inflationäre Verbreitung solcher Petitionen der Akzeptanz wenig förderlich. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Petition gegen die Hundesteuer erinnern (die xte), die sich an den deutschen Städte- und Gemeindetag, also die Interessenvertretung der hundesteuererhebenden Kommunen, richtete.
Aber die gute Absicht zählt und der/die, der/die da mitmacht und klickt kann sich immerhin als Held/Heldin und Kämpfer/Kämpferin für die gute Sache - welche auch immer - fühlen. Außerdem interessieren diese Petitionen in der Regel auch den Adressaten - so es sich nicht gerade um eine um den Umsatz fürchtende Firma handelt - nicht sonderlich.

Mein Lieblings-Krawallmacher Normen hat eine Petition gegen sich selbst gerichtet :d

http://nomro.de/emporung/

Ok, nun zu der Petition: Härtere Strafen für Tierquäler.

In solchen Fällen kochen insbesondere in sozialen Netzwerken die Emotionen hoch, völlig verständlich. Von Verbrechen ist die Rede, von Rache, Vergeltung und was weiß ich noch alles. Jedenfalls schlimmste Qualen für die Täter.
Und immer wieder die beliebte Frage: Wie können Menschen nur so grausam sein?

Jo, sie können grausam sein, die Menschen. Wobei die Tötung eines Hundes im Verhältnis zu dem, was manche Menschen im Laufe der Jahrhunderte so angerichtet haben, noch eine vergleichsweise harmlose Angelegenheit ist.

Was ist eigentlich im strafrechtlichen Sinne ein Verbrechen? Auskunft gibt § 12 des StGB

http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__12.html

Also alles, was mit mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, ist ein Verbrechen.

Nun spricht der Initiator der Petition von Sachbeschädigung, was für sich genommen schon falsch ist.

Sachbeschädigung ist in § 303 StGB geregelt

http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__303.html

Also darf man rechtswidrig keine fremden Sachen beschädigen. Da sich die "Beschädigung" der Dobermannhündin aber gegen eine "eigene" Sache - eben die der Täterin (wie so oft bei Tierquälerei) - richtete, scheidet § 303 schon mal aus. Stellt man noch auf die beteiligten Gehilfen ab, wäre die Dobermannhündin eine fremde Sache. Da die Tötung jedoch mit Einverständnis der Eigentümerin geschah, fehlt es hier am Merkmal der Rechtswidrigkeit.
Außerdem ist Sachbeschädigung "nur" mit max. 2 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht, also ein Vergehen.

In der Sache weiter führt indes ein Blick in das Tierschutzgesetz, hier § 17

http://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/__17.html

Danach wird mit bis zu drei Jahren (also 1 Jahr mehr als bei Sachbeschädigung) oder mit Geldstrafe bestraft, wer

1. ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder

2. einem Wirbeltier a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder b) länger anhaltende oder sich wiederholende Schmerzen oder Leiden zufügt.

Die Tötung eines Hundes nur deshalb, weil man sich seiner entledigen will, ist unstreitig kein vernünftiger Grund. Also ist der Tatbestand des § 17 Nr. 1 auf jeden Fall verwirklicht.
Darüberhinaus ist aber auch der Tatbestand - also in Tateinheit - des § 17 Nr. 2 erfüllt, weil entweder

- dem Tier aus Rohheit erhebliche Schmerzen/Leiden durch das Ertrinken zugefügt wurden oder
- "ohne Rohheit" länger anhaltende Schmerzen oder Leiden zugefügt - durch den nicht sofort eintretenden Ertrinkungstod - wurden.

Die Tat wurde auch vorsätzlich begangen, fahrlässig kann man sowas nicht begehen. Wenn man das nämlich könnte, wäre eine Strafbarkeit wegen Tierquälerei ausgeschlossen.
Wir schauen oben noch mal nach, in den § 17 TierSchG. Steht das was von Vorsatz oder Fahrlässigkeit? Nein, steht da nicht.

Und nun gibt es die widerliche Vorschrift des § 15 StGB,

http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__15.html

wonach fahrlässiges Handeln nur bestraft werden kann, wenn es ausdrücklich mit Strafe bedroht ist. Die Gesetzesformulierungen lauten dann: ...wer vorsätzlich oder fahrlässig....

Man kann - rechtlich betrachtet - keine fahrlässige, strafbare Tierquälerei begehen. Allerdings sind die Ordnungswidrigkeiten des § 18 TierSchG auch bei fahrlässigem Handeln mit Geldbuße bedroht.

Wenn es nun einem geschickten Anwalt gelänge, das Gericht davon zu überzeugen, dass seine Mandanten - eben die 3 Personen, die den Dobermann ertränkt haben - nicht vorsätzlich sondern (grob) fahrlässig gehandelt haben, kommt eine Strafbarkeit nicht mehr in Betracht, es verbleibt lediglich eine Ordnungswidrigkeit.
Aber das würde aufgrund der Tatumstände schon richtig schwer.

Eigentlich ist jetzt alles klar, oder?

Nee, ist es nicht. Ein entscheidendes Merkmal haben wir noch nicht besprochen.

Der Verbrechens- bzw. Vergehensaufbau ist dreistufig - wir haben erst 2 Stufen (Tatbestand und Rechtswidrigkeit) abgearbeitet.
Die 3. Säule, die Schuld, fehlt noch.

Bisher haben wir die Tat angeschaut - nicht die Täter.

Das Schuldprinzip, das gem. Art. 20 Abs. 1, 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) und Art. 1 GG (Menschenwürde) Verfassungsrang hat, fordert, dass auch der/die Täter „angesehen“ und geprüft wird, ob man gerade ihm/ihnen das tatbestandliche und rechtswidrige Tun vorwerfen kann und muss. Erst mit dieser Feststellung ist das Unwerturteil über den Täter gegeben.
Soweit es um die Schuld geht, wird also nach dem „Dafürkönnen“, der „Vorwerfbarkeit“, der „Verantwortung“ des Täters gefragt.
Auf dieser dritten Stufe wird wertend festgestellt, ob dem Täter die tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat auch rechtlich vorgeworfen werden kann.
Nach dem dreistufigen Verbrechens-/Vergehensaufbau bedeutet die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit das Unwerturteil über die Tat; erst mit der Feststellung der Schuld ist das Unwerturteil über den Täter – genauer: über die Tat-Täter-Beziehung – gefällt.
Dem deutschen Strafrecht ist das Schuldstrafrecht immanent: Strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt.

Die Beurteilung von "Schuld" ist das schwierigste Kapitel im Strafrecht schlechthin, die Bewertung und Abgleichung des Sachverhaltes (also das, was in der Lebenswirklichkeit passiert) im Verhältnis zum und mit dem Tatbestand (das, was im Gesetz steht) wird als Subsumtion bezeichnet und ist ziemlich einfach. Man quetscht halt so lange, bis es passt :d .

Und weil "Schuld" eben so schwierig ist, stürzen sich da die Anwälte drauf und kommen gemeinhin mit der so beliebten Psycho-Nummer.

Was ist denn nun "Schuld"? Der Schuldbegriff setzt sich aus 4 Komponenten zusammen, aus

- der Schuldfähigkeit (Vorwerfbarkeit)
- der Schuldform (Täterwille)
- dem Fehlen von Entschuldigungsgründen (etwa Notwehr) und
- dem Unrechtsbewusstsein.

Zentraler Punkt ist hier die Schuldfähigkeit, also die Vorwerfbarkeit der Tat. Demnach die seelisch-geistige Gesundheit des (erwachsenen) Täters als Voraussetzung, überhaupt "schuldig" werden zu können, mithin die generelle Möglichkeit/Fähigkeit des Täters, sein Handeln werten zu können. Darauf stellt das Strafgesetzbuch in den §§ 20 und 21 ab.

http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__20.html
http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__21.html

Da zur Schuldfähigkeit der Täter nichts bekannt ist, erspare ich mir Spekulationen.
Indes kann man schon sagen: Wer einen Hund in so grausamer Weise tötet, kann nicht "normal" sein.

So - und all diese Überlegungen müsste eine ordentliche Petition berücksichtigen und in irgendeiner Form werten um ernstgenommen zu werden.
Das macht aber Mühe und setzt Fachkenntnisse voraus. Besser ist allemal, nach härteren Strafen zu schreien und das elektronische Machwerk an alle möglichen Personen zu senden, die gerade passen können. Etwa an Peter Altmaier, den Umweltminister.
Zuständig wäre aber Ilse Aigner, das fesche Mädel von der CSU aus Bayern.

http://www.bmelv.de/DE/Startseite/startseite_node.html

Dort wäre sie - die Petition - allein schon deshalb besser aufgehoben, als Frau Aigner im "Hinweg-Lächeln" hinreichend erprobt ist :d .
Viele Grüße
Dieter

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Re: Petition: Härtere Strafen für Tierquäler

Beitragvon chino » 02.07.2013, 05:52

Danke für die ausführliche Erklärung.
Eigentlich alles ganz einfach. :shock: ;)

LG
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Re: Petition: Härtere Strafen für Tierquäler

Beitragvon Dieter » 03.07.2013, 09:40

Der folgende Presseartikel passt zum Thema. Kühe sind zwar in der Regel nicht so emotional besetzte Wesen wie Hunde, in den Auswirkungen auf die Tiere ist das jedoch gleichgültig.

Zwar ist der Tathergang nicht vergleichbar, weil die Täter es unterlassen haben, sich um die Kühe zu kümmern.
"Begehen durch Unterlassen" (also: nichts tun) steht der aktiv begangenen Tat - wie bei der Dobermannhündin - aber dann gleich, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln - hier Füttern, Pflege - bestand.

Interessant sind die Würdigungen der Strafrichterin zur Schuld der Angeklagten allemal.

http://www.ln-online.de/Lokales/Segeber ... l-verenden
Viele Grüße
Dieter

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