Hund musste nach Ausraster im Eichsfeld eingeschläfert werden
Eichsfeld. Ein sechs Jahre alter Rüde einer großen Hunderasse musste am vergangenen Freitag im Heiligenstädter Tierheim in Verantwortung des Veterinäramtes eingeschläfert werden. Der für den Landkreis bestellte Gutachter hatte beim Wesenstest festgestellt, dass von dem lebenslang ununterbrochen und damit tierschutzwidrig in einem Zwinger gehaltenen Hund Gefahren ausgehen. "Hier geht der Schutz des Menschen vor", erklärt Amtstierarzt Dr. Uwe Semmelroth auf Anfrage unserer Zeitung.
Wie er berichtet, war der Hund beim Test "ausgerastet", hatte die Puppe im Kinderwagen angefallen, als Kinderweinen ertönte. Der Test sei dann abgebrochen und wiederholt worden - mit dem selben Ergebnis. "Das Einschläfern ist die letzte Konsequenz, wenn niemand die Verantwortung für das Tier übernehmen kann", so Semmelroth. Das heißt, hier hätte niemand die Auflagen zur Haltung gefährlicher Hunde erfüllen können.
Tierheimleiterin Irene Sander, der die Tötung des verhaltensgestörten und sonst gesunden Schützling sehr nahe gegangen ist, vermutet, dass er durch das Geräusch an irgendetwas Ungutes erinnert worden war. Er hatte sein Dasein zusammen mit einem Bruder seit dem Welpenalter in einem Zwinger auf dem Hof einer Familie im Landkreis Eichsfeld gefristet. Beide hätten zwar vermutlich von draußen etwas mitbekommen, aber keinerlei menschliche Zuwendung, keine Erziehung, kein Streicheln, keinen Auslauf und keinen Kontakt zu anderen Hunden genossen, sagt die Tierheimchefin. Bei dem eingeschläferten Hund habe leider keine Aussicht bestanden, so Uwe Semmelroth, sein verkümmertes Sozialverhalten nachträglich zu entwickeln.
Chance für Bruder
Einen solchen Fall - ohne vorherigen Angriff auf einen Menschen - habe er vor Jahren nur ein einziges Mal im Eichsfeld erlebt. Das Veterinäramt hatte, nachdem es vor drei Jahren von diesen Zwingerhunden erfahren hatte, den Haltern Auflagen erteilt, die nicht eingehalten wurden, und schließlich ein Ultimatum zur Vermittlung der Tiere in andere Hände gesetzt. Nachdem auch dies ausblieb, "haben wir die Vermittlung übernommen, ans Tierheim", so Semmelroth. "Man hätte aber schon viel früher handeln sollen", meint Sander, das Amt hätte diese tierquälerische Haltung nicht so lange dulden dürfen.
Der nun getötete Hund war der dominante Teil des lebenslang eingesperrten Bruderpaares, der andere unterwürfig, sagt Semmelroth. Dieser Hund könne durch viel Zuwendung noch einiges nachholen. Er wird im Heiligenstädter Tierheim, wie Irene Sander erläutert, immer von zwei Personen gleichzeitig betreut, erhält viel Streicheleinheiten und Leckerlis. Aber im Oktober steht auch für ihn der Wesenstest an, der über sein Leben entscheiden wird. "So viel Zeit wird dem Hund noch gegeben, Abstand von seinem bisherigen Partner zu gewinnen, Sozialkontakte zu stärken, Vertrauen aufzubauen", sagt der Amtstierarzt.
Semmelroth und Sander appellieren an alle Menschen, die sich Hunde anschaffen wollen, zu bedenken, ob sie eine artgerechte Haltung und Erziehung leisten können. Ein verpflichtender "Hundeführerschein" (Sachkundenachweis) zumindest für alle unerfahrenen Halter von über 40 Zentimeter großen und 20 Kilogramm schweren Hunden, wie in Nordrhein-Westfalen, wäre durchaus sinnvoll, sagt der Veterinäramtschef. Irene Sander gibt auch zu bedenken, dass beispielsweise die Haltung größerer Hunde in kleinen Neubauwohnungen nicht gerade artgerecht sei.
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